27
April
2021
|
09:17
Europe/Berlin

Wasserstoff: Aus Worten wird schnell Realität

Zusammenfassung

Von John Roper, CEO Middle East, Uniper Global Commodities SE

Ein rasant steigendes Interesse der Energie-Akteure an Wasserstoff, der möglicherweise das „neue Öl“ der Welt sein wird, führt dazu, dass die Pläne der arabischen Golfstaaten Gestalt annehmen. In Saudi-Arabien ist der Deal von Air Products, ACWA Power und NEOM für eine umweltfreundliche Anlage zur Produktion von Ammoniak auf Wasserstoffbasis im Wert von 5 Mrd. USD, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird, für den größten Ölexporteur der Welt ein bedeutender Schritt in Richtung Umweltfreundlichkeit. Dieses weltweit größte Projekt zu grünem Wasserstoff wird 650 Tonnen CO2-freien Wasserstoff pro Tag für den weltweiten Verkehr liefern und 3 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Die Verschiffung von blauem Ammoniak aus dem Emirat – ebenfalls eine weltweite Premiere – nach Japan Ende 2020 zur unterstützenden Befeuerung von Kohlekraftwerken war entscheidend für die Stärkung einer nachhaltigen Wasserstoffnutzung und den Aufbau einer CO2-Kreislaufwirtschaft.

Die Wasserstoffproduktion steht auch ganz oben auf der Agenda der VAE, da das drittgrößte OPEC-Mitglied seinen Dekarbonisierungsplan beschleunigt. Eine der jüngsten Initiativen ist Mubadala, ADNOC, und der Deal von ADQ zur Gründung der Abu Dhabi Hydrogen Alliance, mit der die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate als Marktführer für kohlenstoffarmen, grünen und blauen Wasserstoff bei der Verschmelzung internationaler Märkte etabliert werden soll. Der Aufbau einer nationalen grünen Wasserstoffwirtschaft steht ebenfalls auf der Agenda. Im Osten planen DEME Concessions und OQ Alternative Energy, in Zusammenarbeit mit der Behörde für Sonderwirtschaftszonen und Freizonen (OPAZ), eine Partnerschaft bei einer großen Anlage für grünen Wasserstoff in der Sonderwirtschaftszone in Duqm im Sultanat Oman einzugehen.

Tempo, Tempo …

Diesen aufkeimenden Markt zu prägen, ist für die Golfstaaten ein kluger Schritt. Die Region, in der einige der größten Öl- und Gasproduzenten der Welt beheimatet sind, möchte weiterhin relevant bleiben und ein wichtiger Akteur bei der Energiewende des 21. Jahrhunderts sein. Die mit einer hohen Sonneneinstrahlung und erheblichen Windressourcen gesegnete Region bringt alle Voraussetzungen mit, um erneuerbaren Strom zu liefern. So ist sie in der Lage, ein globaler Exporteur von grünem Wasserstoff und seinen Trägerprodukten zu werden. Dennoch muss schnell viel mehr erreicht werden, damit sich der arabische Golf bis zum Jahr 2030 zu einem der weltweit führenden Wasserstoffmärkte entwickelt. Dies gilt insbesondere für die Vorlaufzeit von Forschung und Entwicklung, für Pilotprojekte, Projektkonstruktionen sowie die Suche nach Finanzexperten und qualifizierten Fachleuten.

Bisher gibt es weltweit mehr als 30 Länder mit Wasserstoffplänen, wobei 228 große Wasserstoffprojekte entlang der Wertschöpfungskette angekündigt wurden. 85 % davon befinden sich, laut dem Bericht von Hydrogen Insights 2021, in Europa, Asien und Australien. Wenn alle Projekte zum Tragen kommen, werden die Gesamtinvestitionen bis 2030 die Ausgaben von 300 Mrd. USD übersteigen – Wohlstand, von dem der arabische Golf profitieren kann. Von diesen Projekten kann etwas mehr als ein Viertel (26 %) als ausgereift betrachtet werden. Das bedeutet, dass die Projekte in der Planungsphase sind, eine endgültige Investitionsentscheidung (FID) getroffen wurde oder sich im Bau befinden, bereits in Betrieb genommen wurden oder laufen.

Europa in den Startlöchern?

Zwischen Europa und dem arabischen Golf entwickelt sich potenziell eine natürliche, bilaterale Wasserstoff-Beziehung. Auf der einen Seite ist die europäische Wasserstoffstrategie, die weltweit am weitesten entwickelte. Eines der jüngsten Projekte zur Unterstützung der Ambitionen des Kontinents entstand zwischen Uniper und der Hafenbehörde Rotterdam. Beide untersuchen das Potenzial der groß angelegten Produktion von grünem Wasserstoff im Maasvlakte-Gebiet in Rotterdam – Heimat des zweitgrößten Bunkerzentrums der Welt – mit Plänen, bis 2025 eine Wasserstoffanlage mit einer Kapazität von 100 MW auf dem Gelände von Uniper zu realisieren. Mit der Zeit wird die Kapazität auf 500 MW erhöht. Auf der anderen Seite dieser Beziehung steht das enorme Produktionspotenzial des arabischen Golfs und die tief verwurzelte staatliche Unterstützung für den Wasserstoffausbau – und vor allem seine Exportambitionen.

Deutschlands Bedarf könnte eine natürliche Vereinigung dieser internationalen Angebots-Nachfragedynamik erkennen. So rechnet Europas größte Volkswirtschaft damit, dass bis 2030 bis zu 110 TWh Wasserstoff benötigt werden. Um einen Teil dieser Nachfrage decken zu können, plant Deutschland laut seiner nationalen Wasserstoffstrategie bis zu 5 GW Erzeugungskapazitäten einzurichten, einschließlich Offshore- und Onshore-Energieerzeugungsanlagen. Das entspricht 14 TWh der grünen Wasserstoffproduktion und wird 20 TWh Strom auf Basis erneuerbarer Energien benötigen. Dennoch wird die deutsche Erzeugung von grünem Wasserstoff selbst mit weiteren Zuwächsen bis 2040 nicht ausreichen, um die gesamte neue Nachfrage zu decken. Deshalb muss der größte Teil des benötigten Wasserstoffes importiert werden. Damit könnte der Nahe Osten zum langfristigen bevorzugten Partner für Deutschland und Europa werden, wenn er rechtzeitig auf diese internationalen Bedürfnisse reagiert.

Auch der Transport muss berücksichtigt werden. Für weitere Entfernungen sind mit Ammoniak betriebene Schiffe derzeit die wirtschaftlich rentabelste Lösung. Pipelines für kürzere Distanzen – also etwa 1.800 Kilometer – zu verwenden, ist laut Strategy& jedoch die kostengünstigste Option. Ein möglicher Import-Export-Weg zwischen den VAE und Deutschland etwa erstreckt sich über mehr als 6.000 Kilometer. Der Transport nach Europa per Schiff, gefolgt von einer landgestützten Route, muss also vorbereitet werden.

Es müssen noch viele Fragen beantwortet werden, damit alle Regionen profitieren, nicht nur die arabischen Golfstaaten. Wie lassen sich die Kosten von grünem Wasserstoff senken, damit sie vergleichbar mit denen für andere erneuerbare Energien sind? Wie kann die Produktion von blauem und grünem Wasserstoff ausgebaut werden? Wie lässt sich die notwendige Infrastruktur für nationale Nutzungs- und Exportpläne kostengünstig und schnell aufbauen? Je früher die Golfstaaten diese Fragen beantworten können, desto größer wird ihr Wettbewerbsanteil an Wasserstoff – dem potenziell größten Energiemarkt des 21. Jahrhunderts.

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