Düsseldorf,
26
Februar
2018
|
00:00
Europe/Berlin

Nord Stream 2! Für ein starkes Europa

Namensartikel von Klaus Schäfer (Uniper), Mario Mehren (Wintershall) und Rainer Seele (OMV)

Zusammenfassung

Hinweis (Stand Juli 2022): In diesem Artikel ging es zur Zeit seiner Entstehung vor allem um eine marktbezogene Sichtweise auf russische Pipeline-Lieferungen im Vergleich zu US-amerikanischen LNG-Lieferungen nach Europa. Einzelne Aspekte, insbesondere im Hinblick auf die Verlässlichkeit russischer Gaslieferungen, sind aus heutiger Sicht sicher anders zu bewerten. Was die in dem Artikel angesprochene notwendige Diversifizierung von Gasbezügen angeht, hat Uniper bereits damals US-amerikanisches LNG eingekauft: Uniper war das erste deutsche Unternehmen, das einen langfristigen LNG-Vertrag mit den USA abgeschlossen hat, und wir haben uns schon viele Jahre um den Bau eines eigenen deutschen LNG-Terminals in Wilhelmshaven bemüht.

Nord Stream 2 ist eine Milliardeninvestition in hochmoderne europäische Gasinfrastruktur, in die sichere Versorgung der Menschen und der Industrie in Europa mit Gas. Doch zuletzt ist die öffentliche Diskussion über die Ostseepipeline eine bizarre geworden. In den meist oberflächlichen, emotionsgetriebenen Debatten finden die Fakten kaum mehr Niederschlag.

Gas wird als Standortfaktor der Industrie immer wichtiger

Die Europäische Union ist als Wirtschaftsunion erfolgreich. Aber als politische Union ist die EU nicht in gleichem Maße mitgewachsen. Immer öfter stehen aber nationale Eigendynamiken und politische Blockadehaltungen dem weiteren Erfolg Europas im Weg. Enormen Beitrag zur Wertschöpfung und Wohlstand in Europa leistet die produzierende Industrie, die im globalen Wettbewerb mit Anbietern aus Asien und den USA steht. Viele der für Europa wichtigen Branchen sind energieintensiv. Diese brauchen eine zuverlässige und wettbewerbsfähige Energieversorgung.

Der Energieträger Erdgas ist dafür die Grundsäule und wird in dieser Rolle noch bedeutender werden, insbesondere, wenn Europa seine ambitionierten Klimaziele erreichen will. Dafür brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Gas – als Partner der Erneuerbaren. Heute kann sich Europa noch zu einem großen Teil aus eigener Produktion mit Gas versorgen. Doch die heimische Produktion nimmt rascher ab als ursprünglich prognostiziert. Gleichzeitig steigt die Nachfrage, auch das ist unter den Experten unbestritten. Gas wird vor allem Kohle ersetzen und zusammen mit dem Zuwachs aus erneuerbaren Energien eine klimafreundliche und sichere Energieversorgung ermöglichen. Steigender Bedarf trifft sinkende Eigenproduktion – das heißt: Europas Importbedarf für Erdgas wächst.

LNG ändert den Weltmarkt, aber nicht die europäische Versorgung

Seit der Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 1, die Erdgas direkt von Russland in die europäischen Märkte liefert, hat sich die globale Energieindustrie verändert. Die USA sind vom Energieimporteur zum -exporteur avanciert: durch verflüssigtes Erdgas (LNG). Der LNG-Markt ist ein globaler, und Europa würde als großer Markt für US-LNG auf der Hand liegen. Wir haben ausreichend Terminal-Kapazitäten und jedes Interesse, mehr Gas für unsere Märkte zu sichern. Doch US-LNG ist preislich für Europa nicht interessant, denn Europa befindet sich in sehr guter Pipelinedistanz zu großen Erdgasproduzenten. Das ist ein Trumpf, von dem wir Europäer tagtäglich profitieren. Dank Pipeline-Gas haben wir ein vergleichsweise niedriges Gaspreisniveau. Das ist gut für die Industrie und gut für die Verbraucher. Europa ist mit vielen Gasproduzenten, wie etwa Norwegen, Russland und Algerien, effizient durch Pipelines verknüpft. Das rechnet sich nicht nur wirtschaftlich, sondern ebenso energiepolitisch – denn es bedeutet: Sicherheit und Verlässlichkeit.

Nord Stream 2 diversifiziert den Gasbezug und erhöht den Wettbewerb

Nord Stream 2 verbindet das westliche Europa direkt und ohne jedes Transitrisiko mit den großen russischen Gasfeldern. Durch das gut ausgebaute innereuropäische Gasnetz können durch die Nord Stream 2 auch große Teile Zentral- und Osteuropas sicher mit Energie versorgt werden.

Die Ostseepipeline bedeutet eine wichtige Diversifizierung der vorhandenen Importrouten, eine Ergänzung und Erweiterung des bestehenden Netzes. Genau das entspricht den Zielen der europäischen Energieunion und eines gestärkten europäischen Gasbinnenmarktes. Kurzum: Nord Stream 2 verbindet und stärkt Europa. Im besten Sinne: ein gesamteuropäisches Projekt.

Am Ende wird durch die Pipeline ein weiterer, verlässlicher Transportweg für Gas nach Europa geschaffen, mehr nicht. Viele Möglichkeiten bedeuten immer auch mehr Wettbewerb. Und mehrere Alternativen bedeuten immer auch mehr Sicherheit. Davon profitieren die europäischen Gaskunden genauso wie die europäische Volkswirtschaft. Insoweit sollte klar sein: Wer sich gegen Nord Stream 2 ausspricht, schwächt den Wettbewerb und die Versorgungssicherheit. Länder wie die Ukraine und Polen haben als Transitmonopolisten kein Interesse an neuer und wettbewerbsfähiger Gasinfrastruktur für Europa. Doch die Gemeinschaft braucht möglichst viele verlässliche Wege für Erdgas nach Europa. Mehr Diversifikation. Mehr Wettbewerb.

Russische Gaslieferungen garantieren Liefersicherheit für Europa

Als Partner der großen europäischen Arbeitgeber stehen wir Energieversorger in der Pflicht, Liefersicherheit und wettbewerbsfähige Gaspreise zu gewährleisten. Russische Gaslieferungen sind dafür ein wesentlicher Baustein, zumal es kein Land der Welt gibt, das größere Gasreserven besitzt. Dabei geht es aber nicht um eine einseitige Abhängigkeit Europas von Russland, sondern um eine Partnerschaft, die seit mehreren Jahrzehnten höchst zuverlässig für eine sichere Gasversorgung in Deutschland sorgt. Hinzu kommt, dass die aus Europa nachgefragten Mengen jährlich steigen. Und wir kennen keinen Gaskunden, egal ob Privat- oder Industriekunde, der russisches Pipelinegas lieber gegen teureres Flüssiggas aus den USA tauschen möchte. Die USA drängen ihr LNG mit Macht in den europäischen Markt. Das ist soweit ihr gutes Recht. Und auch hier gilt zunächst: Der Wettbewerb ist gut für Europa. Aber: Es kann nicht sein, dass die Energieversorgung Europas zum Spielball der amerikanischen Energie-, Wirtschafts-, Sicherheits- und Geopolitik gemacht wird, weil sachliche Argumente gegen Nord Stream 2 fehlen. Aber abgesehen davon, wem ein solches Vorgehen letztlich nutzt, es schadet auf jeden Fall Europa, wenn die Kluft zwischen West und Ost weiter wächst. Hier wäre die EU gut beraten, gezielt gegenzusteuern und gegenzuhalten.

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Die Rolle der Europäischen Kommission: geltendes Recht umsetzen

Die Europäische Kommission muss sich fragen lassen, warum sie in der Debatte um Nord Stream 2 nicht versachlichend agiert. Der Rechtsrahmen für dieses Projekt ist eindeutig und lässt der Europäischen Kommission keinen Verhandlungsspielraum – genau das bestätigt etwa der juristische Dienst des Europäischen Rates. Hier muss das geltende Recht konsequent geachtet werden, denn nur das schafft Investitions- und damit Energiesicherheit.

Nord Stream 2 hat auf Basis der gültigen Gesetze mittlerweile Lieferungen und Leistungen im Wert von mehreren Milliarden Euro vertraglich fixiert. Das sind privatwirtschaftliche Investitionen in Europas Energiesicherheit, ohne irgendwelche Förderungen der Europäischen Union: bedarfsorientiert und marktwirtschaftlich. Genauso, wie es sein sollte. So investieren wir in eine Energieversorgung, mit der Europa die Klimaschutzziele erfüllen kann und die letztlich für jeden EU-Bürger, ob im Westen oder im Osten, dauerhaft gut ist.

Eines sei noch angemerkt: Projekte dieser Größenordnung werden keine Investoren mehr finden, wenn künftig auch über Wirtschaftsprojekten das Damoklesschwert hängt, für gesellschaftliche oder politische Diskussionen instrumentalisiert oder zu deren Spielball zu werden.